Bevor die Entstehung der Wiener Eisenbahnlinien dargestellt wird, möchte ich kurz den wesentlichen Unterschied zwischen Kopf- und Durchgangsbahnhof anhand der Grundformen darstellen. 4

1. Kopfbahnhof

Arten des Kopfbahnhofs.A. Aufnahmegebäude in seitlicher Lage, nur das erste Gleis unmittelbar erreichbar
Nordbahnhof 1837

B. Aufnahmegebäude beidseitig: Ankunft/Abfahrt, mit Kopfbahnsteig verbunden.
Westbahnhof 1858

C. Jedes Glas vom Zungenbahnsteig unmittelbar erreichbar.
Westbahnhof heute

 

 

 

 


2. Durchgangsbahnhof


Arten des DurchgangsbahnhofsA. Aufnahmegebäude in seitlicher Lage, nur das erste Gleis unmittelbar erreichbar.
häufige Anordnung

B. Inselbahnsteig zwischen den Gleisen (Brücke, Unter- oder Überführung)
Graz, St. Pölten

 

 

 

3. Inselbahnhof

Zwischen dem Vorplatz und dem Inselbahnhof eine Verbindung (Unter- oder Überführung)
Bischofshofen, Selzthal

 

Schema 1Das Kaiserhaus nahm die aus England stammende Idee der Eisenbahn mit großem Interesse auf. Die Möglichkeit, die gesamte Monarchie mittels dieses Kommunikationsmittels zu erschließen, wurde von Anfang an gefördert. So entstanden der Reihe nach die Verbindungen zu den wichtigsten Hauptstädten der habsburgerischen Länder: 1837 Floridsdorf–Deutsch Wagram, 1839 nach Brünn, 1841–46 nach Raab (Gloggnitz), 1858 nach Linz (Salzburg), 1867 nach Triest und 1895 nach Lemberg (Brünn).

Im Zentrum der Monarchie entstanden so allmählich, jedoch ohne Planung, die Kopfbahnhöfe der jeweiligen Linien. Der Gedanke, diese Endstationen in einem einzigen Bahnhof zu vereinen war fremd, da diese Linien in verschiedenen Partitionen verschiedenen Konkurrenten angehörten, die kein Interesse an einer urbanen Lösung gehabt hatten. Außerdem waren in der Entstehungsphase noch die Befestigungsmauern der Stadt vorhanden. Nicht zu vergessen ist dabei der Einfluss der ausländischer Banken, die u. a. über die Besetzung der zentralen Posten in den Eisenbahngesellschaften (auch Architekten) zu entscheiden hatten. So gelangten z. B. 1854 die Linien der Nördlichen und der Südöstlichen Staatsbahn unter den Einfluss französischen Kapitals. Bis dorthin haben die Engländer (Rothschild) die entscheidende Stimme bei der Bestellung von z. B. Generaldirektoren und Chefarchitekten.

Kaum bekannt ist die Tatsache, dass im Jahr 1843 die erste kontinentale U-Bahn-Planung Europas in Wien (Sichrovsky) 5 stattgefunden hat. Diese unermüdliche Planungen („Zehn Wellen“) fanden jedoch ihre Erfüllung erst in unserem Jahrhundert. 6

Abbildung 1: Architektonische Musterplanung Die Architekten entwickelten mit der Zeit ein einheitliches Muster für die zahlreich gebauten Bahnhöfe der Eisenbahnlinien. Diese charakteristischen Merkmale wiesen die Angehörigkeit zu dieser oder jener Eisenbahngesellschaft auf. Je nach Wichtigkeit des Bahnhofs, erhielt er eine Kategorie, die die Klassen I bis IV umfasste. Die jeweiligen Bedürfnisse wurden so in der architektonischen Planung berücksichtigt und nach diesen Mustern gebaut

Abb. 2

Die Kopfbahnhöfe bekamen in dieser Bedeutungskategorie eine besondere Rolle: sie waren die „Visitenkarte“ des Unternehmens und mussten diese dementsprechend repräsentieren. Deswegen wurden auch begabte und nicht selten berühmte Architekten mit der Aufgabe der Planung betraut. Durch die Konkurrenz der Eisenbahngesellschaften kam es auf diese Weise in Wien bis zum II. Weltkrieg zu einer einmaligen Vielzahl von prachtvollen Bauten.

Nun möchte ich die Bahnhöfe Wiens der Entstehungszeit nach vorstellen und ihre Schicksale kurz schildern.

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