Form folgt Funktion. Das Einmaleins des DTP
Qualität & Preis • Form & Funktion • Format ist geduldig • Satzspiegel: Platz da • Schriften: Schmelztiegel • Gliederungselemente • Bilder machen Leser • Feinschliff am Text
Desktop
Publisher sind »Alleskönner«:
Autor, Gestalter, Schriftsetzer, Grafiker und
Drucker zugleich.
Die Soft- und Hardware ist so
leistungsfähig und preisgünstig geworden,
dass es theoretisch kein großes Problem mehr
ist, Publikationen am eigenen Schreibtisch
anzufertigen. Fast alles ist technisch möglich.
In der Praxis zeigt sich freilich, dass das Publizieren von Druckwerken insgesamt zwar billiger wurde - besser aber nicht. Kein Wunder: DTP vereinigt auf einer Plattform völlig unterschiedliche Berufe mit jahrelanger, hochspezialisierter Ausbildung. In Bereichen, in denen es tatsächlich auf Spitzenqualität ankommt, wird deshalb ein noch so guter Desktop Publisher kaum mithalten können.
Qualität und Preis
Nur: Wann kommt es auf Spitzenqualität an? Wenn sie angefordert wird und sich der Aufwand für beide Seiten rechnet. Also ganz sicher nicht bei einer Schülerzeitung, einem Handzettel für den Flohmarkt oder einem Amtsblatt. Sogar bei einer hochwertigen Zeitschrift oder einem teuren Bildband ist es im Einzelfall noch fraglich, ob sich Spitzenqualität auszahlt.
In mindestens 95 Prozent der Publikationen sind minimale Qualitätseinbußen zugunsten eines deutlich niedrigeren Produktionspreises wirtschaftlich sinnvoll. Hier liegt die große Chance des Desktop Publishers, sofern er eine Qualität bietet, die in den Augen der Zielgruppe der jeweiligen Publikation nicht merklich schlechter ist. Unser Beitrag hilft, die schlimmsten »DTP-Sünden« zu vermeiden.
Form und Funktion
Publikationen sind selten künstlerischer Selbstzweck. Normalerweise richten sie sich als Dienstleistung an eine mehr oder weniger klar abgrenzbare Zielgruppe, dessen – oft widersprüchlichen – Bedürfnisse Sie als Desktop Publisher in den Mittelpunkt Ihrer Überlegungen stellen müssen:
- Wen will ich mit der Publikation erreichen?
- Welche Zielgruppe hat die Publikation?
- Wie setzt man sie wozu ein? (Je länger der Leser eine Publikation nutzt, desto wichtiger ist die Qualität: Was bei einer Tageszeitung durchgehen mag, kann die Leser eines Monatsmagazins verärgern.)
- Welche Ressourcen (Geld, Zeit, Material, Vervielfältigungs- und Verarbeitungs-Möglichkeiten etc.) stehen zur Verfügung?
Bei der Klärung dieser Grundfragen sind bestehende Lesegewohnheiten zu berücksichtigen. Profis ziehen Untersuchungen zum Medienkonsum heran und betreiben selbst Marktforschung. Angenommen, Sie wollen ein Handbuch zu einem selbstgeschriebenen Programm schreiben, das Sie selbst vertreiben. Wer ein Programm kauft, will sich nicht lange mit einem Handbuch herumschlagen, sondern es auf dem schnellsten Weg einsetzen. Ästhetische Gesichtspunkte sind zweitrangig. Einsatzort ist der oft sehr kleine Schreibtisch, womit große Formate ausscheiden.
Format ist geduldig
Damit die aufgeschlagene Seite allein offen bleibt, bietet sich eine Ringheftung und/oder ein Breitformat an: beispielsweise 210 mm x 180 mm (Breite x Höhe). Zudem ist dieses Breitformat ein guter Kompromiss zwischen möglichst geringem Platzbedarf und dem Gebot, zusammengehörende Sinneinheiten (etwa die Schrittfolge für die Installation) auf je einer Doppelseite unterzubringen. Das sehr ausgewogene, ästhetisch ansprechende, preiswerte und schnell zu verarbeitende DIN-A4-Hochformat kommt in die engste Wahl für Zeitschriften. Für Zeitungen und Bildbände haben sich aus gestalterischen Gründen (Bildwirkung, Variationsmöglichkeiten etc.) deutlich größere Formate durchgesetzt. Taschenbücher sind im Bereich von DIN A5 üblich.
Satzspiegel: Platz da!
Der Satzspiegel ist die Sammlung aller Regeln, die festlegen, wo welches Element liegt. Das Auge braucht »Weißräume« – auch Buchstaben benötigen Raum »zum Atmen«. Diesen schafft der Satzspiegel.
Dazu zählen die Randeinstellungen, das Zeilenraster für die Grundschrift, die Spalten (einschließlich Zwischenräume), Beschnittzeichen (geben an, wo die Seite beschnitten wird) und Passerzeichen (legen fest, wo Filme übereinander zu montieren sind).
Kriterien
Ein guter Satzspiegel erfüllt folgende Kriterien:
Ränder einstellen
Sie können die Randeinstellungen auf unterschiedliche Weise bestimmen. Gängige Methoden sind:
2-3-4-5-Methode: |
|
Diagonalen-Methode: |
|
Kästchen-Methode: |
Spalten bestimmen
Spaltenzahl und -breite können Sie endgültig erst festlegen, wenn Sie sich für die Schriftgröße und -laufweite einer Grundschrift entschieden haben. Bei langen Lesetexten (Musterbeispiel: Roman) sind etwa 50 bis 60 Anschläge je Zeile ideal. Je nach Schriftgröße und Papierformat werden Sie dafür ein- oder zwei Spalten benötigen.
Für »seriöse« Zeitungen kommen
fünf bis sechs Spalten in die engste Wahl.
Boulevardblätter gehen auch auf sieben oder
acht Spalten, weil sie damit flexiblere Gestaltungsmöglichkeiten
haben und gegenüber der optischen Aufmachung
Lesbarkeitskriterien keine absolute Priorität
besitzen. Die wesentlich interessanteren
Layout-Optionen »schreien« nach drei bis
vier Spalten in Zeitschriften mit hohen Bild- und
Graphikanteil. Breitformatige Produktkataloge und
Vergleichstabellen erfordern sehr oft viel mehr
Spalten.
Handbuch
Gut bewährt hat sich in der technischen Dokumentation der zweispaltige Aufbau: In der Hauptspalte kommt der Fließtext, der etwa zwei Drittel des Satzspiegels einnimmt. In die schmale Marginalspalte gehören unter anderem Zwischenresultate, Piktogramme und Stichpunkte.
Der Abstand zwischen den Spalten entspricht bei Blocksatz etwa der Breite vom »mi« der Grundschrift, bei einer Trennlinie dazwischen »mm«. Bei Flattersatz wählen Sie einen geringeren Abstand (zum Beispiel drei Millimeter statt fünf). Ob Sie Trennlinien einsetzen wollen, ist überwiegend Geschmackssache. Sie können die Lesbarkeit (vor allem von Zeitungen) verbessern und optisch reizvoll sein. Die Linienstärke von durchgezogenen Linien sollte der der Grundschrift entsprechen (etwa 0,3 bis 0,6 Punkt). Interessante Varianten sind – besonders für eine junge Zielgruppe – Pünktchenlinien und etwas dickere, dafür hellere Linien.
Schriften: Schmelztiegel
Im Hunderterpack billiger: Wohlfeile Schriften gibt es wie Sand am Meer. Da reizt es doch unheimlich, die »Schriftensau« auf die Schriftstücke loszulassen. Der Fachmann wundert sich, der Leser wendet sich mit Grauen ab: Kaum eine DTP-Todsünde erschwert die Lesbarkeit so arg wie eine »vogelwilde« Schriftenmischung.
Weniger ist mehr
Zwei, drei Schriftfamilien, die sich in ihrem Charakter deutlich unterscheiden und die Sie auf Ihr Werk abstimmen müssen, reichen in 99 Prozent der Fälle locker aus – zumindest, wenn der Hauptzweck Ihrer Publikation der Transport von Informationen ist und nicht Auffallen um jeden Preis (Paradebeispiel: Anzeige). Denn das Auge liest nicht Buchstabe für Buchstabe, sondern gewöhnt sich an Wortbilder, die sich aus einer Vielzahl mikrotypografischer Feinheiten zusammensetzen: Abstand der Buchstaben zueinander, Unter-, Ober- und Mittellängen, Verdickungen, Serifen (»Häkchen« an den Buchstabenenden), Achsenrundungen und vieles mehr. Je gewohnter diese Wortbilder sind, desto schneller kann ein Text aufgenommen werden, bei ungewohnten Wortbildern stockt der Lesefluss.
Grundschrift: Festhalten an Bewährten
Als Grundschrift für längere Texte kommen folglich nur gleichmäßige Schriftarten in Betracht wie Helvetica und Times, die für über zwei Drittel der gesetzten Texte gewählt werden.
Wobei Helvetica nicht gleich Helvetica ist und Times nicht gleich Times: Es gibt unzählige Varianten der verschiedensten Hersteller. Sie sollten zudem den normalen Schriftschnitt und die übliche Laufweite und Buchstabenbreite nehmen.
Investieren Sie lieber etwas mehr Geld und leisten Sie sich die Schriften von Spezialisten wie Berthold und Linotype-Hell. Achten Sie darauf, dass gerade Ihre Brot-und-Butter-Schriften mindest ein Dutzend Schriftschnitte enthalten von »Condensed« bis »Light«.
Für welche Schriftart Sie sich entscheiden, hängt vom Werk ab: Für eine Tageszeitung kommt die serifennormale Times eher in Frage als die nüchterne, serifenlose Helvetica. Helvetica dürfte dagegen für eine Betriebsanleitung das Richtige sein. Die Schriftgröße der Grundschrift von Gebrauchstexten (Werksatz) liegt zwischen 8 bis 12, ausnahmsweise, etwa bei Schulungsunterlagen, bei 14 Punkt (ein Punkt = 0,375 mm; nicht zu verwechseln mit dem amerikanischen Point = 0,353 mm). Der optimal lesbare Zeilenabstand beträgt etwa 120 Prozent (ausprobieren!), also 12 Punkt bei einer 10-Punkt-Schrift. Etwas mehr Abstand benötigen längere Zeilen, verglichen mit kurzen, eine fette Schaft im Vergleich zu einer normalen und eine Schrift mit hohen Mittellängen gegenüber einer mit weniger hohen.
Der Zeilenabstand ist richtig gewählt, wenn bei leicht zugekniffenen Augen die Textspalte nahezu zu einer Graufläche verschwimmt.
Haupttitel: wirke und herrsche!
Haupttitel dominieren die (Doppel-)Seite und konzentrieren eine Kernaussage: Zwei und mehr Aussagen verwirren. Haupttitel müssen kurz und prägnant sein und maximal zwei Zeilen einnehmen. (Andere Gesetze gelten für die Werbung: Hier können ganze Zitate zu Haupttiteln werden.)
Die gewählte Schrift muss einen deutlichen Kontrast zur Grundschrift bilden: Die Schriftgröße sollte mindestens zweieinhalbmal so groß sein wie die Grundschrift, eine andere Schriftart oder ein anderer -schnitt sein etc.
Beim Platzieren (zwingend auf der ersten Seite/Doppelseite des Beitrags) und Gestalten der Titelschrift können Sie Ihrer Fantasie weitgehend freien Lauf lassen. Verwenden Sie Titelschriften jedoch einheitlich oder durchgehend uneinheitlich. Oft bietet sich eine Titelgestaltung an, die sich am Inhalt des jeweiligen Beitrags orientiert: Der Haupttitel einer Reportage über ABC-Schützen erscheint in Schreibschrift, farbige Buchstaben visualisieren einen Bericht über Farbfotokopierer...
Trennungen in Titeln sind ebenso zu vermeiden wie gesperrter Blocksatz (unschöne Löcher!). Für zweizeilige Titel ist der normalerweise optimale 120prozentige Zeilenabstand zu groß: Verkleinern Sie ihn so, dass sich Ober- und Unterlängen nicht berühren und die Überschrift eine geschlossene Einheit bildet. Wenn Sie Haupttitel über eine Doppelseite ziehen, darf der Bund die Buchstaben weder überdecken noch zu weit trennen.
Untertitel/Dachzellen: Wasserträger
Untertitel/Dachzeilen unterstützen den vor allem Aufmerksamkeit weckenden Haupttitel mit sachlichen Informationen. Sie müssen direkt bei ihm stehen. Klarheit und Lesbarkeit stehen im Vordergrund. Untertitel/Dachzeilen müssen sich beispielsweise durch größer wirkende Schriftart, -schnitt (zum Beispiel halbfett) oder höhere Schriftgröße gegenüber der Grundschrift abheben.
Vorspänne: kurze Zeilen, langer Sinn
Vorspänne (Einleitungen) haben eine ähnliche Funktion wie Untertitel/Dachzeilen. Sie sind lediglich ausführlicher und geben bei längeren Beiträgen eine kurze Zusammenfassung. Vorspänne müssen nicht zwingend beim Haupttitel stehen.
Zwischentitel: Ordnung muss sein
Zwischentitel dienen der Orientierung und sollten selbstsprechend sein, also eine nachvollziehbare Aussage zum Inhalt enthalten. Ordnen Sie Zwischentitel auch durch den Abstand sichtbar dem Text zu, zu dem sie gehören: Meist beziehen sie sich auf den nachfolgenden Text. Zwischentitel sollten innerhalb eines Beitrags einheitlich lang und möglichst prägnant sein. Gegenüber dem Fließtext müssen sie sich eindeutig hervorheben, aber nicht zu klobig wirken. Faustregel: maximal 60 Prozent des Haupttitels, mindestens Grundschrift, aber deutlich größer wirkender) Schriftart/schnitt. Zwischentitel dürfen Schmuckelemente enthalten; achten Sie aber darauf, dass Sie den Leser damit nicht übersättigen.
Eine Sonderform des Zwischentitels sind eingestreute Zitate, die Sie als solche kenntlich machen müssen, etwa mit großen Anführungszeichen.
Rubrikentitel: Schnelle Greifer
Rubrikentitel (Kolumnentitel) erleichtern bei mehrseitigen Publikationen den schnellen Zugriff ebenso wie Marginalien (Randtext; er sollte 1 bis 2 Punkt kleiner gesetzt werden als der Grundtext; Bild 4). Zu den Rubrikentiteln zählen Seitenzahlen, Randnummern, Kapitelangaben, Stichpunkte zum Inhalt, Firmenlogo und -name, Name und Ausgabe der Publikation.
Rubrikentitel sollten Sie dezent halten, damit
sie nicht in Konkurrenz mit dem Haupttitel geraten.
Alle Auszeichnungen, der Einsatz von Linien und
grafischen Elementen, Farben und Verläufe sind
zulässig – solange sie nicht zu
aufdringlich wirken. Die Gestaltung und Platzierung
(nicht im Bund, sonst frei) sollte durchgehend sein,
um den Leser nicht zu irritieren. Ein integriertes
Firmenlogo und die Ausgabe der Publikation sind
nicht zwingend, können jedoch Corporate Design
vermitteln und Verwechslungen im Druck vermeiden
helfen.
Initiale: Pfeil auf Fließtext
Initiale sind Großbuchstaben am Beginn des Fließtexts. Sie sind Pflicht, wenn der Haupttitel nicht oberhalb oder links neben dem Fließtext liegt, weil dann der Leser unnötig suchen muss. Sie sollten nur ausnahmsweise – etwa in einem Märchen mehrere Initiale in einem einzigen Beitrag einsetzen. Üblich sind vor allem »hängende« Initiale über zwei bis fünf Grundschriftzeilen: Sie schließen optisch meist oben mit der Oberlänge der ersten Grundschriftzeile ab, unten mit der Schriftlinie der letzten.
Initiale sollten optisch an der Schriftlinie linksbündig sein, der Fließtext sich dem Initial »anschmiegen«. Ein Initial ersetzt das dem Initialbuchstaben vorangehende Anführungszeichen: Typografisch richtig ist im Deutschen das Anführungszeichen unten.
Legenden & Co.: kein Kleinkram
Nur bei selbstsprechenden Illustrationen und im Einzelfall bei Grafik können Sie auf Legenden (»Bildbeschriftungen«) verzichten. Legenden »lesen« dem Leser die Kernaussage vor. Sie müssen eindeutig und sofort zuzuordnen sein: Deshalb stehen sie meist unmittelbar unter dem Bild/der Grafik oder bündig daneben (Bild 1). Die Schrift der Legenden sollte sich deutlich von der Grundschrift unterscheiden und in etwa deren Größe einnehmen. Schmale Schriftgrade eignen sich besonders für nebenstehende Legenden. Bild- und Grafikbeschriftungen können aus Platzgründen 1 bis 2 Punkt kleiner sein, bei Erklärungen möglichst in gleicher Höhe und linksbündig liegen (Leserichtung!).
Für Urhebernachweise haben sich 7 Punkt in derselben Schriftart wie Legenden bewährt. Urhebernachweise können Sie um 90 Grad kippen und bündig zu Grafik/Illustration/Bild platzieren.
Gliederungselemente
Kästchen & Tabellen: Auslagern erlaubt
In Kästchen (Textboxen) lagern Sie wichtige Informationen aus dem Fließtext aus, die inhaltlich zusammengehören. Sie können Kästchen auch für Zusammenfassungen einsetzen; vor »Kästchen-Overkill« wird gewarnt. Die Schrift darin sollte in etwa der Größe der Grundschrift +/- ein Punkt entsprechen. Der Abstand zum Kästchenrand sollte mindestens zwei Millimeter betragen. Tabellen sind ideal für Texte oder Zahlen, die Sie miteinander vergleichen oder auflisten wollen. Angebracht sind verschiedene Flächen und dezente Linien, um Tabellenspalten und -Linien unmissverständlich abzugrenzen (Bild 6).
Aufzählen & Einrücken: kein Infosalat
Aufzählungen und Einrückungen erleichtern die Aufnahme von Einzelinformationen ebenso wie tabellarische Übersichten.
Wenn die Textmenge der aufgezählten Punkte nicht mindestens je fünf Zeilen erreicht, sollten Sie Flattersatz wählen, weil sonst Löcher drohen. Mehrere verschiedenartige Aufzählungszeichen untereinander machen sich nicht gut: Sie wirken unruhig. Aufzählungszeichen müssen optisch sofort den aufgezählten Punkten zuzuordnen sein. Gut wirken Absatzabstände (etwa 3 Punkt) zwischen den aufgezählten Punkten.
Die häufigsten Aufzählungszeichen sind Gedankenstrich und ein runder, dicker Punkt. Letzterer wirkt oft klobig, wenn Sie ihn nicht in einer kleineren Schrift und/oder niedrigerem Grauwert (zum Beispiel 50% Schwarz) einsetzen. Schmuckelemente wie Hände oder Pfeile können die Publikation nur aufwerten, wenn Sie sie nicht im Übermaß verwenden.
Einrückungen am Absatzanfang sollten etwa ein Geviert betragen, das ist etwas mehr als die jeweilige Buchstabenhöhe der Schrift.
Bilder machen Leser
Das wichtigste »Eintrittstor« für den Leser sind Bilder. Nach einer Untersuchung des Poynter Institute for Media Studies in St. Petersburg/USA nehmen 49% der Leser zuerst die Information eines farbigen Bildes auf – sogar bei einem Titelbild mit großen Schlagzeilen. Ein Schwarzweiß-Bild fesselt immerhin noch 45 Prozent »auf den ersten Blick«. Mit großem Abstand folgen Titelboxen und Schlagzeilen, mit dem Aufmacher-Beitrag beginnen gerade noch 4 Prozent.
Erfolg durch Visualisieren
Diese Erkenntnisse haben weitreichende Konsequenzen und werden in der Praxis bestätigt. Beispielsweise dürfte der große Auflagen-Erfolg der Illustrierten Focus und Stern zu einem guten Teil auf den konsequenten, hinsichtlich der jeweiligen Zielgruppe optimalen Bildeinsatz zurückzuführen sein.
Der Zweck heiligt die Mittel
Ausgangspunkt aller Überlegungen ist der Einsatzzweck. Der Bildeinsatz muss zielgruppenorientiert in das Gesamtkonzept passen.
Bilder können zum Beispiel einen Beitrag »aufmachen«, also etwa den Leser auf ihn einstimmen und dabei eine (ideal wäre: die) Kernaussage enthalten. Ein Bild kann auch ein Zwischenresultat in einer Handlungsanleitung festhalten (Referenzbild), etwa in einem Kochbuch oder einer Installationsanleitung.
Gute Bilder wecken stets auch Emotionen, regen zum Nachdenken an und manchmal zum Träumen. Während in einem Bildband etwa Landschaftsfotos möglichst groß abgebildet werden, um optimal zu wirken, sollten Details in einer Betriebsanleitung noch gut erkennbar sein, aber keinen Platz verschwenden.
Im Zweifel sollten Sie lieber weniger und größere Bilder einsetzen als viele kleine: Größere Bildformate wirken stärker.
Henne und Küken
Bildkompositionen können besonders reizvoll wirken. Die Blickrichtung von Bildern sollte den Leser in den Text hineinziehen. Die Idealform sind Fotos von Personen, die so angeordnet sind, dass sie untereinander »korrespondieren«, also den Blick von einem zum anderen Bild führen.
Achten Sie darauf, dass Sie »Gegensatzpaare« kombinieren: Ein besonders ruhiges Bild mit einem dynamisch-aggressiven, eine Panorama-Aufnahme mit einem Detailausschnitt etc.
Auf einer Doppelseite dürfen sich Bilder nicht gegenseitig ihre Wirkung nehmen. Ihre Größe muss sich entweder genau entsprechen oder deutlich unterscheiden. Wenn Sie einer großformatigen »Henne« mehrere kleine »Küken« an die Hand geben, sind Sie meist auf der sicheren Seite.
Gewagt, aber unbedingt zu empfehlen: ausgefallene Formate. Extreme Hoch- und Querformate sind »Eye-Catcher« per se. Angeschnittene, möglichst randabfallende Bildformate wirken abwechslungsreich und dynamisch.
Weg mit »totem Fleisch«
Genau eingemittete Bilder wirken meist langweilig. Die Kernaussage (etwa: untergehende Sonne) sollte leicht versetzt von der Mitte liegen. Dabei hilft als Faustregel der »Goldene Schnitt«: Das Verhältnis 1 : 1,6 wirkt harmonisch.
Unwichtige Bildbestandteile – Profis sprechen von »totem Fleisch« – sollten Sie möglichst weglassen oder mit anderen Bildern überdecken. Keine Regel ohne Ausnahme: Wenn Sie Text auf ein Bild hinterlegen wollen, muss der Hintergrund ruhig und gleichmäßig sein sowie einen starken Kontrast zur Schrift bilden (Bild 1) – sonst leidet die Lesbarkeit.
Spezialeffekte
Freigestellte Personen wirken » lebendiger«.
In Verbindung mit rechteckigen Bildern und Kontursatz (der Text »schmiegt« sich an die Bildkonturen an) lockern »Freisteller« besonders gut auf. Die Übergänge, müssen Sie äußerst sauber bearbeiten, sonst wirken sie unprofessionell herausgeschnitten (Bild 7).
Romantische, nostalgische Gefühle wecken Sie mit unscharfen Bildmasken, die Sie als Hilfsmittel auch bei sonst nicht möglichen Freistellern einsetzen können (Bild 7): Ungefähr 0,5 bis 3 Zentimeter der Papierkante soften Sie unscharf ab, das Bild »fließt« ins Papierweiß.
Diesen
Effekt können Sie verstärken, wenn Sie ihn
mit runden Bildecken verbinden, die Sie sonst eher
vermeiden sollten, weil sie antiquiert und billig
wirken können.
Vieleckige Bilder kommen
besonders gut bei einem jungen Publikum an, das Sie
auch mit gekippten, schräggestellten Rechtecken
und dem Bruch gewohnter Layout-Konventionen
erreichen, etwa durch unterschiedliche Zeilenabstände
im Fließtext – während die ältere
Generation eher »Konventionelles«
beziehungsweise »Seriöses«
bevorzugt.
Jedem Leser das Seine…
Feinschliff am Text
Bündigkeit
Aufgrund unserer Lesegewohnheiten ist eine Schriftkante links für längeren Text nötig. Ob (gemäßigter) linksbündiger Flattersatz (Text läuft rechts unregelmäßig aus) oder Blocksatz, spielt dagegen keine Rolle. Rechtsbündigen Flattersatz sollten Sie allenfalls für Bild- und Grafiklegenden (Beschriftungen) einsetzen, mittigen (zentrierten) Text vor allem für (Zwischen-)Überschriften und Vorspänne.
Registerhaltigkeit
Unter Registerhaltigkeit (auch: Grundlinienraster, -gitter oder Seitenraster) versteht man das deckungsgleiche Positionieren der Grundschrift und der toten Kolumentitel auf Vorder- und Rückseite. Sie ist bei mehrseitigen Publikationen aus drei Gründen sinnvoll:
- höhere Schnelligkeit beim Platzieren von Text,
- Gewinn an Genauigkeit,
- Text auf der Rückseite scheint weniger störend durch.
Sperren und Stauchen
Wer Text schnell längen oder kürzen will, kann dies durch dezentes Sperren beziehungsweise Stauchen erreichen: 2 Prozent mehr oder weniger schaden auch der Grundschrift nicht. Inverse Schrift muss etwas gesperrt werden, um nicht »zuzulaufen«. Deutlicheres Stauchen bietet sich an bei Überschriften, Zwischenüberschriften und bei Bildbeschriftungen (bitte einheitlich!), um trotz Platznot genügend Informationen unterzubringen, Ideal wäre auch dafür ein eigener Schriftschnitt.
Hervorhebungen
Für Hervorhebungen (Auszeichnungen) gilt: so wenig wie möglich, so viel wie nötig. Wählen Sie die dezenteste, noch wirksame Auszeichnung und bedenken Sie: Jede zusätzliche Hervorhebung schwächt die Wirkung der Vorhandenen. Dezent wirken kursiv und Kapitälchen. Deutlich massiver muten an: (halb-)fett, andere Schrift und Unterstreichen/Unterlegen. Ganz massiv fallen auf: VERSALIEN (gleich große Großbuchstaben), S p e r r e n und Kombinationen aus Auszeichnungsvarianten.
Hurenkinder und Schusterjungen
Unschön wirken Hurenkinder (Ausgangszeilen am Anfang einer Spalte) und Schusterjungen/Waisenkinder (»angeschusterte« erste Zeile am Ende eines Absatzes) sowie Zeilen, in denen lediglich zwei, drei Buchstaben stehen (weiterführende Information im Artikel »Hurensöhne und Schusterkinder«).
aus: DOS International [heute: PC
Magazin],
Ausgabe 08/1995, S. 98 ff.